Alt Graun – Das versunkene Dorf im Reschensee
Versunkenes Dorf im Reschensee – diesen Beinamen trägt der Ort Alt Graun. Bevor der Reschensee Stausee aufgestaut wurde, mußte Alt Graun weichen. Die Bewohner wurden gezwungen, ihre Häuser zu verlassen und die Höfe aufzugeben. Kurz bevor das Wasser kam, wurden die Häuser gesprengt. Nur der Kirchturm im See blieb übrig. Das historische Dorf ist versunken. Heute kannst du am Rande des Stausees zahlreiche Informationen darüber lesen. Es gibt auch einige Bilder zu sehen.
Warum wurde das Dorf Graun überflutet?
Das Dorf Graun im Vinschgau wurde überflutet, um Platz für den Reschensee zu schaffen. Dieser künstliche Stausee wurde in den 1950er Jahren gebaut, um mehr Wasserkraft für die Region zu erzeugen. Die Überflutung war Teil eines größeren Projekts zur Energiegewinnung, das eine bedeutende Veränderung der Landschaft und die Umsiedlung der Einwohner mit sich brachte.
Wo ist das versunkene Dorf?
Das versunkene Dorf Graun befindet sich im Reschensee in der Gemeinde Graun im Vinschgau, in der Provinz Südtirol, Italien. Der Reschensee liegt im westlichen Teil Südtirols nahe der Grenze zu Österreich und der Schweiz. Es ist ein beliebtes Touristenziel und bekannt für den herausragenden Kirchturm, der aus dem See ragt.
Wie viele Häuser und Fläche wurden überflutet?
Bei der Flutung des Dorfes Graun wurden insgesamt 163 Häuser überflutet, einschließlich der Kirche und der landwirtschaftlichen Gebäude. Außerdem wurden 523 Hektar fruchtbarer Kulturboden überflutet.
Was geschah mit den Bewohnern des Dorfes?
Die Bewohner des Dorfes mussten sich entscheiden, ob sie vor Ort bleiben und neue Häuser bauen oder umsiedeln wollten. Aufgrund der verringerten landwirtschaftlichen Nutzfläche entschieden sich viele Bewohner dafür, das Dorf zu verlassen. Etwa 70 % der Bevölkerung ist aus- oder abgewandert.
Gibt es noch andere Überreste des versunkenen Dorfes?
Der prägnanteste Überrest des versunkenen Dorfes ist der Kirchturm von Graun. Der Kirchturm, der zur Pfarrkirche St. Katharina gehörte und bereits im Jahr 1357 eingeweiht wurde, ragt auch bei hohem Wasserstand aus dem Reschensee. Er ist zu einem Wahrzeichen der Region geworden. Beim Ablassen des Sees im Jahr 2021 kamen zusätzlich Ruinen des Dorfes Graun zum Vorschein. Das versunkene Dorf kam wieder zum Vorschein.
Die seltsame Reschensee Geschichte
Bevor der heutige Reschensee aufgestaut wurde, gab es den natürlichen Reschensee. Er war um ein Vielfaches kleiner als der heutige Stausee. Die Hochebene rund um den See, das Wasser der umliegenden Berge und der Höhenunterschied in Richtung Meran lockten zum Bau eines Wasserkraftwerks. Bereits 1911 gab es die erste Untersuchung, die aufgrund von geologischen Schwierigkeiten nicht weiter verfolgt wurden. Alleine 1920 bewarben sich drei Konsortien um den Bau und Betrieb eines Wasserkfraftwerks. Die 1921 stattgefundenen Voruntersuchungen lehnten alle drei Projekte ab – sie hielten dem tiroler Gesetz nicht stand.
Nach der Eingliederung Südtirols zu Italien kam das erste eingereichte Projekt von 1920 wieder auf den Tisch. Der faschischtische italienische Staat ließ die Genehmigung des 1920er Projekts mit dem Hinweis aushängen, dass noch einige Änderungen notwendig seien. Das Dokument hing an der Amtstafel am Reschen zwischen den anderen Veröffentlichungen unterschiedlicher Art. Verfasst wurde der Aushang auf italienisch – im deutschsprachig geprägten Reschen-Gebiet. Das war im März 1940. 15 Tage später gab der Gemeindesekretär die Meldung zurück – keine Einwände. Und so wurde gebaut.
Das Kuriose: Im Antrag war nicht die Erhöhung des Wasserspiegels um weitere 17 Meter enthalten, wie der Reschensee heute ist. Es wäre deswegen ein zusätzliches Untersuchungs- und Verhandlungsverfahren gesetzlich notwendig gewesen. Das blieb aber aus. Man sieht wie schlampig damals gearbeitet wurde oder wie bestehendes Gesetz mit Füßen getreten wurde. So ist im Konzessionsdekret von 1943 zu lesen, dass für das Ausführungsprojekt eine eigene Voruntersuchung vorgenommen wurde und es keine Einwände gab.
Mir kommt das sehr seltsam vor. Ähnlich dubios ist wohl auch die Ablöse der Grundstücke geregelt worden. Hier wurde scheinbar mit Druck des Staates und der Aussicht auf Enteignung gearbeitet. Je nach Güteklasse der Äcker und Wiesen wurden je Quadratmeter zwischen 0,15 Lire und 1,40 Lire geboten. 2000 Lire entsprechen ungefährt 1 Euro. Nachdem diese Preise kein Grundstückseigentümer annehmen wollte, kam es de facto zur Enteignung. Die Leitungen für das Kraftwerk und die Kraftwerksanlage wurden errichtet. Der 2. Weltkrieg stoppte den Bau im Herbst 1943.
Nach dem Krieg wurde der Bau fortgesetzt, jedoch fehlte der Betreiberfirma Montecatini das nötige Geld. Nun kamen die Schweizer ins Spiel. Die Schweizer Stromgesellschaft Elektrowatt brauchte dringend Strom in den Wintermonaten. Deshalb finanzierten sie der italienischen Firma Montecantini den Bau des Reschenstausee-Kraftwerks in Höhe von 30 Millionen Schweizer Franken. Die Gegenleistung war die Lieferung von 120 Gigawattstunden Strom für 10 Jahre. Die Stromlieferung sollte im November 1949 beginnen. Im Frühling 1947 wurde schließlich die Bevölkerung über die wahren Pläne informiert. Auf Basis der ehemals erteilten Genehmigung kam es zur Fertigstellung des heutigen Kraftwerks stammt Anhebung des Wasserspiegels – was de facto das alte Graun, die Weiler von Arlund, Piz, Gorf samt den Stockerhöfen von St. Valentin im Stausee versinken ließ. Die regionalen Politker und die Bevölkerung intervenierten in Italien, zwecklos.
Aus dem Haus gewässert
Bewilligt waren gemäß dem ursprünglichen Plan 5 Meter Stauhöhe. Ansteigen ließ man nach dem Bau das Wasser auf über 20 Meter. Die Einwohner konnten das nicht glauben. Schließlich mußten sie sich aber fügen. „Gewalt geht über Recht“, sagt Zeitzeuge Kassian Warger. Rosa Maas berichtet, daß man in der Früh um 6 Uhr noch trockenen Fußes zur Morgenmesse gehen konnte. Im Laufe des Gottesdienstes stieg das Wasser und die Kirchenbesucher konnten die Kirche nur mehr über die oberhalb liegende Tür der Sakristei verlassen. Die Bewohner der Häuser wurden „aus dem Haus gewässert“, so Rosa Maas.
Versunkenes Dorf Alt Graun aufgetaucht
2021 mußte der Reschensee weitgehend abgelassen werden. Soweit ich weiß, war es das erste Mal nach der Stauung des Sees. Nötig wurde das aufgrund technischer Arbeiten an der Stauanlage. Sowohl Einheimische als auch auswärtige Beobachter waren gespannt, was sich nach dem Ablassen des Wassers offenbart. Das versunkene Dorf Alt Graun tauchte erstmals nach 71 Jahren wieder auf. Was es zu sehen gab, war in meinen Augen nicht so spektakulär. Das Wasser der umliegenden Berge hat in den Jahrzehnten viel Schlamm und Gestein in den Stausee transportiert. Das Material hat sich über den Ruinen und den Resten von Alt Graun abgelagert. Zu sehen gab es vom versunkenen Dorf nur einige Ruinenreste in Form von Treppen oder Betonmauern. Die italienischen Sprengmeister haben damals ganze Arbeit geleistet. Trotzdem war das öffentliche Interesse groß. Wenn du Bilder sehen willst, kannst du hier welche finden. 2024 wurde das Wasser erneut abgelassen. Am Ostufer soll die Straße sicherer werden. Deshalb wird im südlichen Bereich die Straße neu gestaltet.
Graun am Reschensee
Interessanter finde ich den Blick auf die Auswirkungen und das heutige Dorf Graun. Als die Häuser von Alt Graun gesprengt wurden, sollte auch der dortige Friedhof im Wasser verschwinden. Über die Gräber sollte Beton gegossen werden. Die Toten sollten im versunkenen Dorf zurückbleiben. Nach einem großen Protest der Bewohner wurden die Verstorbenen aber exhumiert. Sie wurden auf den neuen Friedhof in Graun gebracht. Du findest ihn heute auf einer kleinen Anhöhe beim Kirchturm im See. Vom dortigen Parkplatz führt ein kurzer Weg hinauf. Dort ist auch das Grab des ehemaligen Pfarrers von Graun. Pfarrer Alfred Rieper kämpfte mit ganzer Kraft für die Bevölkerung von Graun, konnte aber das verskunkene Dorf im Reschensee nicht aufhalten. Selbst sein Besuch beim damaligen Papst war wirkungslos. Alfred Rieper ging als Vater der Gemeinde Graun in die Geschichte ein.
Weiterführende Links
- Kirchturm im See – warum gibt es ihn überhaupt noch?
- Reschensee – das solltest du wissen
- Reschenpass – der einzige Weg nach Graun
Zusammenfassung
Das Dorf Graun, oder besser gesagt das alte Graun, liegt heute unter den Wassermassen des Reschensees. Dieses versunkene Dorf und der markante Kirchturm, der aus dem Wasser ragt, sind Zeugen einer dramatischen und einschneidenden Veränderung, die das Leben der damaligen Bewohner unwiderruflich veränderte. Hier sind die Hauptgründe und Auswirkungen der Überflutung:
Gründe für die Überflutung
- Wasserkraftprojekt:
- In den 1920er Jahren beschloss die italienische Regierung, die Energiegewinnung durch Wasserkraft zu steigern. Ein Großprojekt sah vor, den Reschensee und den benachbarten Haidersee durch den Bau eines Staudamms zu einem einzigen großen Stausee zu verbinden.
- Bau des Staudamms:
- Der Bau begann in den 1940er Jahren und wurde 1950 abgeschlossen. Der Damm erhöhte den Wasserspiegel des Reschensees um 22 Meter, was zur Überflutung des darunter liegenden Dorfs Graun führte.
- Strategische und wirtschaftliche Gründe:
- Der Stausee sollte eine konstante Wasserversorgung für die Kraftwerke in der Region sicherstellen, was insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg als wirtschaftlich notwendig erachtet wurde, um den Wiederaufbau und die industrielle Entwicklung Italiens zu unterstützen.
Auswirkungen auf das Dorf und die Bewohner
- Zwangsumsiedlung:
- Über 160 Häuser wurden zerstört, und etwa 150 Familien mussten ihre Heimat verlassen. Die Einwohner wurden umgesiedelt, und viele verloren ihre landwirtschaftlichen Flächen und ihre Lebensgrundlage.
- Verlust der Heimat:
- Die Überflutung bedeutete für die Bewohner den Verlust ihres kulturellen Erbes und ihrer jahrhundertealten Traditionen. Die emotionale und wirtschaftliche Belastung war enorm.
- Proteste und Widerstand:
- Es gab erheblichen Widerstand und Proteste gegen das Projekt, doch die Interessen der Regierung und der beteiligten Unternehmen setzten sich durch.
Der Kirchturm im Reschensee
- Symbol der Erinnerung:
- Der Kirchturm der alten Pfarrkirche von Alt-Graun ist das einzige sichtbare Relikt des alten Dorfes. Er ragt heute aus dem Wasser des Reschensees und ist zu einem markanten Wahrzeichen und einer Touristenattraktion geworden.
- Bedeutung für die Region:
- Der Turm erinnert an die dramatischen Veränderungen und den Verlust, den die Bewohner von Graun erlitten haben. Gleichzeitig zieht er zahlreiche Besucher an und hat dem Ort eine gewisse Berühmtheit eingebracht.
Die häufigsten Fragen
Die Geschichte hinter dem versunkenen Dorf Graun ist eng mit dem Bau des Reschensees verbunden. Der Reschensee ist ein Stausee in der Gemeinde Graun im westlichen Südtirol. Vor der Flutung gab es am Reschenpass drei Seen: den Reschensee, den Mittersee (auch Grauner See genannt) und den heute noch existierenden Haidersee. Das Dorf Graun und ein Großteil des Dorfes Reschen wurden überflutet, als die beiden Seen Reschensee und Mittersee durch den Bau des Staudamms vereint wurden.
Die Flutung des Dorfes Graun erfolgte im Jahr 1950. Die Entscheidung, das Dorf zu überfluten, wurde bereits in den 1930er Jahren getroffen, als Pläne zur Nutzung der Wasserkraft im oberen Vinschgau aufkamen. Die faschistische Regierung forcierte das Vorhaben ab 1937 weiter, und schließlich wurde 1939 der Projektvorschlag genehmigt. Während des Zweiten Weltkriegs kam der Bau jedoch zum Stillstand. Nach Kriegsende wurden die Bauarbeiten wieder aufgenommen, da die Schweizer Elektrizitätsgesellschaften dringend Winterstrom benötigten. Die Bevölkerung wurde über die Größe des Stausees und den Zeitplan informiert, und im März 1947 begann der Bau des Dammes. Die Enteignungen hatten bereits in den 1940er Jahren stattgefunden, und die Bewohner mussten entscheiden, ob sie vor Ort bleiben und neue Häuser bauen oder umsiedeln wollten. Letztendlich blieben nur etwa 35 Familien in Graun.
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